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Levée en masse ! |
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Es war einmal eine Zeit, da machte das Automobil
den Menschen zum Herrenfahrer. Selbstlenkend überfuhr er die Landschaft,
scheuchte Pferde auf, stob Federvieh und Menschen auseinander oder fuhr sie
einfach tot. Anschließende Unfallflucht war nicht selten. So wurde der
Herrenfahrer zum
"wilden Autler". Zwar verleiht
die Fortbewegung in der Geschwindigkeitsmaschine Ansehen und Potenz, die den
einzelnen auszeichnen, zugleich aber bedeuten Freiheit, Mobilität und
Individualität Anarchismus, solange sie nicht demokratisiert sind.
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Später, nachdem Straßen und ihre Verkehrsordnung als
Kulturfortschritt gefeiert worden sind, taucht der wilde Fahrer mit altem
Erschrecken als Geisterfahrer im allgemeinen Automobilismus wieder auf.
Entsetzte der wilde Fahrer durch seine Geschwindigkeit, welche die Regeln des öffentlichen
Lebens zerstörte, bedroht der Geisterfahrer seine Komplizen durch
konsequente Umkehrung der Fahrtrichtung. Geisterfahrer erinnern durch ihren
Anarchismus an die ursprüngliche Mentalität der Herrenfahrer, die sich
selbstlenkend, frei und individuell im Raum bewegten. |
Metonymie: Setzung eines
Teils als das Ganze. |
Der Preis, den die automobile Geschwindigkeit für Freiheit und Beglückung
ihrer Passagiere zahlen läßt, bemißt sich in der Zahl der
Opfer. Deshalb muß die Lobby auch blind sein für den ungeheuren
Apparat und Verwaltungsdienst, den Automobilität erst einmal benötigt.
Richten sich frühe Empörungen an den Staat als Garanten der öffentlichen
Ruhe, so wird dieser in Folge für das gleiche Ziel mit umgekehrten
Vorzeichen in die Pflicht genommen. Der Staat habe nicht die Autofahrer als
Gefahr zu reglementieren, sondern die Öffentlichkeit in die Schranken zu
weisen, damit sie keine Gefahr für die Autos mehr darstellt. Was geschieht,
ist eine folgerichtige metonymische Operation. |
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Wenn das Automobil zum Kollektivsymbol moderner Gesellschaft werden kann,
dann ist es nur konsequent, daß der Symbolträger das Maß aller
Dinge wird. Die gesamte Ordnung des öffentlichen Raumes wird nach seinem
Bedarf umstrukturiert: Freie Fahrt für freie Bürger. Diese
Operation wird bei gleichbleibenden Forderungen der Automobilisten in mehreren
Schüben zur Realität. Heute definiert sich die Straßenverkehrsordnung
(StVO) als Schutz aller Verkehrsteilnehmer, das heißt, nicht als Reglement
für Autofahrer, die sich in einer Umwelt nicht fahrender Passanten bewegen,
sondern als Verwaltungsapparat einer Öffentlichkeit, deren Störfrequenz
möglichst gering bleiben muß. |
Individualität.
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Die Individualität, die das Auto repräsentieren soll, ist ein
Effekt der Geschwindigkeit, der die Deformation von Menschen und Landschaften
meint. Der kollektive öffentliche Raum wird, ebenso wie die Wahrnehmung der
Fahrer, durch das Vehikel individueller Geschwindigkeit zerschnitten. Die
Verletzten und Toten auf neuen und alten Straßen stehen für diese
Individualität ein. Und früh schon weiß man, welcher Zustand
dadurch geschaffen wird. Zitieren wir Eugen Diesel aus seiner "Autoreise"
von 1905:
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Eugen Diesel: Autoreise (1905), Leipzig
1941, S.190. |
"Nein, was machten wir bei unserem Abschied aus Italien für
einen Staub! So etwas habe ich in meinen ganzen Leben nicht wieder erlebt.
Mehliger Kalkstaub lag fünf Zentimeter dick auf der Straße. Darauf
jagte Georg, was der Wagen hergab, durch das Tal der Piave und hinter uns
breitete sich ein ungeheurer Kegel aus. Der weiße Kegel hob sich und
breitete sich endlos aus. Das ganze Tal der Piave war dick eingenebelt, bis hoch
zur Bergflanke lag eine weiße Wolke über dem Tale. Wir entsetzten die
Fußgänger wie mit einem Gasangriff, ihre Gesichter verzerrten sich,
und wir ließen sie zurück in einer formlos gewordenen Welt, in der
weithin Feld und Baum unter einer trockenen Puderschicht alle Farbe verloren
hatten." |
Automobilmachung.
Vgl. Heathcote Williams' pathetisches Epos:
Automobilmachung. Frankfurt/M. 1992. |
Das Automobil führt den "totalen Krieg" und Techniken wie
den Blitzkrieg ein. Es hinterläßt eine "formlos gewordene Welt",
weil Gestalt und Farben in der Dimension real gewordener Geschwindigkeitszonen
ihre phänomenologischen Qualitäten verlieren. Der wilde Fahrer, der "jagt,
was der Wagen hergibt", erfährt nur zu gut, daß ästhetische
Kategorien wie Landschaft unter der Beschleunigung nur noch kontingente Effekte
eines Rausches oder Rauschens sind. Eugen Diesels Zeugenaussage, deren Worte
wohlgemerkt noch nicht vom Ersten Weltkrieg diktiert sind, hält
metaphorisch fest, was schon bald auf Europas Straßen Wirklichkeit
geworden sein wird: Verkehr als "kriegerischer Zustand". Mit einem
Erkenntniszuwachs von 25 Jahren faßt Arnolt Bronnen in "Moral und
Verkehr" den Fortschritt zusammen: "Der Verkehr begann als Luxus, und
er endete als Terror." |
Marie Holzer: Das Automobil
(um 1918). In: Das Autobuch. Hg. v. K. Roehler. Darmstadt 1983, S.13f. |
Aber auch Terror und Krieg benötigen ein Reglement.
Was expressionistische Dichterinnen wie Marie Holzer noch als technisches
Residuum des Anarchismus feiern wollen, besitzt eine Ordnung außerhalb der
Körper, die Freiheit und Individualität zu konsumieren glauben.
Holzers Text über das Jammern und Schaudern erklärt auch, weshalb es
keine Regellosigkeit geben darf:
"Es rast, Schrecken verbreitend, durch die Welt, losgelöst
von althergebrachten Gesetzen. Kein Schienenstrang schreibt ihm Wege vor; keine
Pferdelunge zwingt ihn zu einem vorgeschriebenen Tempo, das in sich selber
eingezogene Grenzen hat. Es ist der Herr der unbegrenzten Möglichkeiten." |
Zur Genealogie der Verkehrsschilder vgl.Agentur
Bilwet: Das okkulte Verkehrsschild. In: Medien-Archiv. Bensheim und Düsseldorf
1993, S.52-55. |
Das Auto ist per definitionem Grenzübertretung und Ekstase. Es ist "Herr
der unbegrenzten Möglichkeiten" und von Geburt Anarchist. Deshalb
zieht Benz' Patent nicht nur weitere technische Evolutionen, wie verbesserte
Lenkung und Bremsen bis hin zu Stoßstangen, Fahrgastzellen und "Knautschzonen"
nach sich, sondern auch die Notwendigkeit von Verkehrsschildern und Überwachungsinstitutionen
wie Polizei, TÜV und StVO. Schilder und Regeln geben nur
Rahmenbedingungen für die Koexistenz aller Verkehrsteilnehmer vor. Doch
den technischen Regeln der Geschwindigkeitsmaschine ist dies eine nur äußerlich
"eingezogene Grenze", solange die Maschine jagen kann, was sie
hergibt. |
Die Geschwindigkeitsfabrik. |
Die neue Ordnung, die das Automobil installiert, schreiben Industrie und
Staat vor. Die Maschine Auto transportiert mehr als nur Lasten und Passagiere
von A nach B. Das "denkende Erz" des Motors wird nicht nur
metaphorisch zum Motor des Staates und seiner Volkswirtschaft, sondern kurbelt wörtlich
die Konsumgüterwirtschaft an und demokratisiert Bevölkerungen im
allgemeinen Begehren des Automobilismus. Seit den zwanziger Jahren darf dieser
Motor unseres Wohlstandes nicht mehr zum Stillstand kommen. Es entsteht, was wir
- mit Paul Valéry - die Geschwindigkeitsfabrik nennen. Individualität
und Freiheit bleiben auf der Strecke. Sie sind kommunikative Gespenster, die als
Opfer nicht thematisiert werden. Denn als Industrieprodukt wird das Auto erst
relevant, seitdem Serienproduktion, partielle Austauschbarkeit und der Absatz
großer Stückzahlen möglich geworden sind. Und es werden genau
diese Voraussetzungen gewesen sein, welche die Rüstungsgüterindustrie
für die folgenden Weltkriege benötigt. Die industrielle Fertigung gibt
den Takt der Geschwindigkeitsfabrik vor, der über öffentliche Medien,
Werbung und Auto-Dichter demokratisch distribuiert wird. |
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In den Anfängen des Vehikels wurden Motoren auf handgefertigte Chassis
montiert. Es sind traditionelle Kutschenmacher und Wagenbauer, die Benz und
Daimler beliefern. Kleinwagen, Dreiräder und Voituretten werden gebaut und
als Luxusgüter an Herrenfahrer verkauft. Die 1894 aufgenommene
Serienproduktion des Benz-Velos meint kaum mehr als ein Dutzend Fahrzeuge pro
Monat. 1907 werden im Kaiserreich rund 10.000 Autos gezählt. In den USA
dagegen hat die Zahl bereits die halbe Million überschritten. Henry Ford
avanciert zum praktischen Gründervater der Demokratisierung des Unfalls,
was Lenin und Hitler gleichermaßen beeindruckt. Der neue Schlachtruf
lautet Gebrauchswagen statt Luxusvehikel. |
Fordismus.
Vgl. die
Debatte über Marxismus oder Fordismus um 1925. Hier: K.
Grünberg: Ford Motor Company (1924). In: Poesie & Maschine. Hg. v. M.
Krause. Köln o. J., S.134ff. Vgl.:
Henry Ford: Mein Leben und Werk., Leipzig o. J., S.55ff. |
In Detroit gründet Ford 1905 seine Company. Die amerikanische
Erfolgsstory Henry Fords gründet nicht nur auf der Einführung des
Acht-Stunden Tages und der Lohnanhebung. Einher mit dem Fließbandtakt und
der Uniformierung des Automobils, geht eine strikte Uniformierung der Arbeiter,
gleiche Kleidung mit unterschiedlichen Identifikationsnummern. Als
Initiation der Ford-Motor-Company dient zwar ein gewonnenes Autorennen aber das
ist nur die "Sportnuance". Ford setzt ganz auf die Massenproduktion
als "eigentliche[s] Geschäft". Was er will, wie die erste Werbung
propagiert, sind Alltagsfahrzeuge, die "gerade schnell genug" sind, um
den normalen Bürger zu befriedigen. Das aber heißt: Beschleunigung
genau bis über die Wahrnehmungsgrenze, nämlich bis man, so die
Werbung, die "Augen aufreißen muß, um die Meilensteine zu zählen."
Dieser allgemeine Automobilismus für alle steht natürlich in
expliziter Absetzung zum wilden Fahrer. 1907 entschließt sich Ford, "ohne
jede Vorankündigung", das Automobil selbst noch einmal zu
uniformieren. Nach den Modellen "A", "B", "C" usw.
läßt er die Kunden in einer Verlautbarung wissen, daß fortan
nur noch das eine Modell "T" gebaut werde, aber daß sie jede
Farbe wünschen könnten, "solange sie nur schwarz ist". |
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In Deutschland fängt die Demokratisierung des Automobilismus nicht an
anzufangen. Tagesstückzahlen von 25 bis 30 Fahrzeugen sind üblich. Es
ist also im Sinne des Erfinders, wenn Benz eine Kommission zur Untersuchung der
amerikanischen Fabrikationsmethoden über den Atlantik schickt. Erst in
den 20er Jahren werden in Europa Preßwerke eingeführt, die die
Fertigung hoher Stückzahlen identischer Karosserien erlauben. Das zuvor übliche
Beplanken von Holzkonstruktionen mit Blech mochte noch den Hauch manueller
Herstellung besitzen. Die neuen Preßwerke aber zerstanzen endgültig
den Mythos des individuellen Produkts durch die Uniformität aller Teile. In
die Form des Blechs wird die Uniform der Massenware geprägt, die in ihrer
Kombination als Auto den Fahrern Unteilbares bescheren soll. Individualität
aber erhält das Fahrzeug erst, wenn es seine Uniformität verliert,
wenn es deformiert sein wird. |
Der Kühler als Firmenlogo.
Vgl.
Der Spiegel 3/94, S.273.
"Die Limousine hat bereits Ansätze von
Schnittigkeit - auf eine fließende, un-Volvo-hafte [sic] Art, auch wenn
typische Erkennungsmerkmale erhalten bleiben. So signalisiert der Kühlergrill
zum Beispiel weiterhin Schutz im bösen Straßendschungel." So
Garvin Green, Chefredakteur 'Car Magazin', in: Die Woche, 23. 8. 1996, S. 41. |
In den Anfangsjahren bringt es die Zulieferung weniger Preßwerke an
viele Automobilfirmen mit sich, daß verschiedene Marken gleiche Bauformen
aufweisen. So wird der Kühler zum einzigen Ort signifikanter
Unterscheidungsmerkmale der Hersteller. Andere Experimente, etwa mit den Kotflügeln,
haben sich automobil-evolutionär nicht durchsetzen können. Die
signifikante Funktion des Kühlers hat bis heute Bestand: Unter nicht
weniger als vier Markennamen wird 1994 ein baugleicher Wagen vorgestellt. Es ist
ein Großraumwagen der Hersteller Citroen, Peugot, Fiat und Lancia, der
firmenspezifisch "einzig an Nuancen in der Gestaltung des Kühlergrills"
identifiziert werden kann. Der Kühler zentriert die Symbolik, welche
die Industrie für ihr Produkt entwirft. An seiner Form, der Figur, die er
trägt, sollt ihr ihn erkennen. Motorisierung zu Lande, im Wasser und in der
Luft symbolisiert der Mercedes-Stern. Das Logo von BMW verweist auf deutlich
gewordene menschliche Wahrnehmungsdefizite: Propellerdrehzahlen lassen die
einzelnen Rotorblätter im blau-weißen Geschwindigkeitsemblem als
Segmente stillstehen. Rasender Stillstand - Schwellenwerte, die Psychophysiker
seit Ende des vorigen Jahrhunderts an allen fünf Sinnen des Menschen
auszuloten beginnen. Die Kühlerfigur des Rolls-Royce setzt dagegen auf
die konservative Restauration goldener Zeitalter, auf Grazie und Anmut einer
griechischen Siegesgöttin, auf die harmonische Fassade eines Tempels. Nimmt
man die symbolischen Aussagen der drei Kühler zusammen, wird Marinettis
Futuristisches Manifest von 1909 tatsächlich manifest: "... ein
aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner
als die Nike von Samothrake." Plausibel, daß Marinetti eher BMW denn
Rolls-Royce gefahren haben würde. |
Erwin Panofsky: The Ideological Antecedents
of the Rolls-Royce Radiator. In: Proceedings of the American Philosophical
Society. Vol. 107 (1963), S.273-288. |
Wie gut die emblematische Funktion des Kühlerortes institutionalisiert
wurde, kann man einem berühmten Zeitgenossen entnehmen, der sich
seinerseits für Rolls-Royce entschieden hat. Erwin Panofsky, Begründer
der Ikonologie in der Kunstgeschichte, sieht im Kühler des Rolls-Royce
schlicht die symbolische Inkarnation von zwölf Jahrhunderten originaler "british
attitude". Das heißt: "the specifically Romantic preoccupation
with infinity and night", welche die Lincoln Karosse und der Kühlergrill
zum Ausdruck bringen. Die "ideologischen Vorgänger" stellen
jedoch nicht mittelalterliche Architekturen und romantische Autoren dar,
sondern, wie eine Fußnote erhellt, die persönliche Bekanntschaft
Panofskys mit dem Vize-Präsdidenten von Rolls-Royce. |
Design und Kollektivsymbolik.
R. J. F. Kieselbach: Vom Torpedo-Phaeton zur Ganzstahl
Limousine.
Zur Geschichte des Automobildesigns. In: Das Automobil in der
Kunst. Hg. v. R. Zeller, S.288. |
Nach Rennsport und Marketing wird das Design in den 20er Jahren zum
Instrument der Produktprofilierung. Die Form des Wagens wird differenzierter
Ausdruck der Kollektivsymboliken, von Luxus oder Sportlichkeit, Eleganz und
Erotik. Sie bildet eine Schnittstelle zwischen öffentlicher und
individueller Wahrnehmung. Die ersten Automobile legen noch ihre Herkunft
von der Kutsche offen dar - auch in diesem Sinne Herrendiskurs. Ihre rudimentäre
Funktionalität wird mit angestammten Symbolen ausstaffiert: "Unübersehbar
war hier noch der Gedanke an die geschlossene Kutsche für die Passagiere
und den offenen Bock für den Kutscher lebendig." |
Walter Gropius: Die neuen
Adler-Wagen, (1931). In: Das Automobil in der Kunst, S.331. |
Die Kollektivsymbolik ermöglicht immer neue Konnotationen, öffnet
sich den Diskursen der Zeit. Bis 1920 kommt der Bootsstil in Mode. Die Formen
der Fahrzeuge evozieren die Erinnerung an das internationale Aufrüsten der
Flotten - Tirpitz'sches Erbe und Matrosenanzüge für die
Nachwuchsfahrer. Spitzkühler, spitz zulaufendes Heck und ausgekehlte
Seitenwände (mitunter sogar Ruderpinnen und Fahnenstangen) bringen ab 1908
Formbewährtes imperialistischer Überseepolitik und das Vehikel des
Fortschritts auf einen Nenner. Sogenannte Stilkonsulenten beraten
Automobilbauer, bevor die Industrie eigene Entwurfateliers einführt. In
Frankreich statten Möbelkünstler wie Maurice Dufréne oder Künstlerinnen
wie Sonia Delaunay-Terk Automobile für die feine Gesellschaft aus. Aber
Kunsthandwerk und Luxusdesign sind längst wörtlich Art deco. Das Auto
ist nur in den Parametern von Masse, Nutzen und Geschwindigkeit zu beschreiben.
Walter Gropius konstatiert:
"daß maß der schönheit eines automobils
hängt nicht von der zutat an schnörkeln und zierat ab, sondern von der
harmonie des ganzen organismus, von der logik der funktionen... ." |
"Die
Stromlinienform hat den Charakter einer Metapher der Bewegung
und versinnbildlicht darüber hinaus Freiheit, Erfolg und Modernität."
J. Petsch: Geschichte des Auto-Designs. Köln 1982, S.110.
So schon Arnolt Bronnen: Triumph des Motors |
In den 30er Jahren bietet sich ein neues Kollektivsymbol für das
Design an, die Flottenpolitik ist überholt. Nicht mehr das Schiff steht
Pate, sondern das Flugzeug und sein Ideal der Aerodynamik. Die motorisierte
Dreifaltigkeit des Mercedessterns ist komplett. Öffentlichkeitswirksame
Glanzleistungen wie Lindberghs Atlantiküberquerung von 1927 geben den
entscheidenden Impuls. Mit dem Rekurs auf das Flugzeug gelingt die kombinierte
Beschwörung von Geschwindigkeit, technischem Fortschritt und autonomer
Mobilität. Die Werbung unterstützt diese Sinnstiftung, indem sie den
Prestigecharakter der Autos herausstellt. |
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Zu dieser Zeit ist die Demokratisierung des Unfalls bereits
vorangeschritten. Dennoch fehlt in Deutschland der entscheidende Durchbruch zu
Volkes Wagen. Die deutschen Automobilbauer leiden unter chronischer Kapitalschwäche.
Gab es 1922 über 100 Automobilfirmen, sind es 1933 nur noch 16. 1926
fusionieren die Benz & Cie. Rheinische Automobil- und Motorenfabrik und die
Daimler-Motorengesellschaft zur Daimler Benz AG. Als Kupplerin fungiert die
Deutsche Bank - so wachsen Bündnisse über die Zeitwirren hinweg. Trotz
der großen Fusionen finden Konstrukteure wie Ferdinand Porsche lange Zeit
nicht die richtigen Geldgeber und Ansprechpartner. Erst Hitlers Pläne, das
Volk auf kriegsgebahnten Wegen in "neue Lebensräume" zu befördern,
wird mit Steuergeldern und staatlicher Arbeitsrekrutierung alle finanziellen Nöte
beseitigen. |
Wirtschaftsstrukturen.
Sloanism . |
Durch die Automobilindustrie erhöht sich die Internationalisierung der
Wirtschaftsstrukturen. Als 1929 General Motors die Adam Opel Werke aufkauft,
reagiert Ford sofort mit dem Bau eines eigenen Werkes in Köln. Die dort
fabrizierten Produkte erhalten auf ihrem Kühlerschild neben dem
Ford-Schriftzug den Vermerk: Deutsches Erzeugnis. In Rüsselsheim läuft
zu dieser Zeit die erste Fließbandproduktion Europas an. Schon hat in den
USA ein harter Verdrängungswettbewerb eingesetzt, der neben der
Massenproduktion neue Instrumentarien erfordert. Während Ford zur Einführung
eines neuen Modells innerhalb von nur fünf Tagen für über 1 Mio.
$ Anzeigen in großen Zeitungen und Magazinen schaltet, versucht General
Motors sich mit der Einführung eines jährlichen Modellwechsels vom
ewig gleichen Massenprodukten abzuheben. Der nach GM-Chef Alfred Sloan getaufte
"Sloanism" wird als neue Form der Produktprofilierung dem "Fordism"
entgegengehalten und produziert im jährlichen Takt der
Geschwindigkeitsfabrik, sprich Autmobil-Salons, die "feinen Unterschiede",
die individuelles Prestige garantieren sollen. Dieser Wettkampf wiederholt sich
im Deutschland der Nachkriegszeit. Der Opel Kadett muß immer ein wenig
besser sein, als der VW-Käfer.
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© Matthias Bickenbach, Michael Stolzke, Bonn 1996